09 Feb 2015 Verband der Drehbuchautoren – im Interview
Der Verband der Drehbuchautoren (VDD) vertritt die Interessen von Film- und Fernsehautoren im deutschsprachigen Raum. Jan Herchenröder ist seit Ende 2014 Geschäftsführer des VDD, Prof. Peter Henning ist Mitglied des VDD-Vorstands. Mit ihnen sprach VdA-Vorstand Christina Gattys über die aktuellen Schwerpunktthemen und Anliegen des Drehbuchautoren-Verbandes.
Christina Gattys: Der VDD hat das Eckdatenpapier mit dem ZDF zum 30.06.2015 gekündigt. Was sind die unmittelbaren Konsequenzen dieser Kündigung? Gibt es weiterführende Verhandlungen mit dem ZDF? Ist die Produzentenallianz daran beteiligt? Auf welcher Basis werden die Drehbuchverträge zwischenzeitlich verhandelt und abgeschlossen?
Jan Herchenröder und Peter Henning: Da das ZDF zum einen angekündigt hatte, sich weiter an die in der Vereinbarung fixierten Absprachen zu halten, und zum anderen die ähnlich gestaltete Regelsammlung des Verbandes der Bühnenverleger ja weiterhin gilt, gab es zunächst keine signifikanten Veränderungen der Vertragsbedingungen. Allerdings gab es Einzelfälle, in denen Autoren die in der Absprache geregelte Vergütung für etablierte Autoren verweigert und der niedrigere Regelsatz angewandt wurde.
Seit Ende letzten Jahres haben wir allerdings die Gespräche mit dem ZDF wieder aufgenommen mit dem Ziel, aus der massiven Kritik der AutorInnen heraus zu einer tragenden, neuen Vereinbarung zu kommen.
Im Ergebnis hatte die alte Vereinbarung durch eine einseitige Interpretation zugunsten des ZDF, vor allem der Serie, zu massiven Honorareinbußen geführt. Auch wenn es in Teilbereichen durchaus Verbesserungen für die AutorInnen entstanden sind.
Die Vorgespräche haben zunächst ohne die Produzentenallianz stattgefunden, da es ja letztendlich von der Bereitschaft des ZDF als allein bestimmendem Auftraggeber abhängt , ob und in welchem Rahmen eine neue, auch für die AutorInnen sinnvolle Vereinbarung getroffen werden kann. Noch ist dabei offen, ob es wieder auf eine Regelsammlung hinausläuft oder ob es eine, von der Politik bevorzugte, GVR-Verhandlung geben wird.
Wie sind die Erfahrungen mit ProSiebenSat.1 und der dort am 03.06.2014 eingeführten GVR? Gibt es Erfahrungen zur darin enthaltenen Reichweitenregelung?
Die Erfahrungen mit der GVR mit ProSiebenSat.1 sind sehr positiv. Da es ja zunächst um die Erfolgsbeteiligung vergangener Jahre ging, sind hier erhebliche Beträge an die AutorInnen (auch an die Regie!) ausgezahlt worden. Es war insofern das erste Mal, dass auf einen Buy Out eine Erfolgsbeteiligung folgte und Nachvergütungen ausgezahlt worden sind. Da schon die Verhandlung äußerst fair, offen und positiv verlaufen sind, gibt es mit ProSiebenSat.1 eine Gesprächskultur, die erwarten lässt, dass nach der jetzt anstehenden Evaluierung, wie versprochen, die Schwellenwerte an die insgesamt gesunkenen Zuschauerzahlen angepasst werden.
Im Rahmen des gemeinsamen Exposé-Fördertopfs, der in diesem Jahr in die zweite Runde ging, verfolgen wir erfolgreich das Ziel, Autoren einen finanzielle Grundlage sowie eine redaktionelle Unabhängigkeit zur Entwicklung ihrer Ideen zu ermöglichen. Diese Ideenförderung stößt auf große Resonanz und hat sich gerade auch bei erfahrenen Autoren in kurzer Zeit etabliert. Darüber hinaus sind wir in Verhandlungen zur Verbesserung der Situation der Scripted Reality AutorInnen.
Welche Verhandlungen zur Regelung einer GVR stehen darüber hinaus noch an oder sind derzeit in Verhandlung?
Wie oben schon erwähnt, verhandeln wir aktuell mit ProSiebenSat.1 über die Honorare für DrehbuchautorInnen im Bereich Scripted Reality. Wir setzten zudem die kontinuierliche Evaluierung und Modifikation der bestehenden GVR fort.
Mit der ARD hat es Vorgespräche gegeben. Hier wollen wir die Verhandlungen mit dem Ziel einer GVR forcieren. Auch im Bereich Kino streben wir Verhandlungen an.
Gibt es seitens des VDD einen konkreten Vorschlag an die Sender zur Vergütung der Überlassung der Filme in den Mediatheken, über das 7-day-catch-up hinaus?
Wir haben verschiedene Modelle entwickelt, unter denen wir uns eine erweiterte Nutzung im Internet gut vorstellen können. Da wir mitten in den Verhandlungen und Gesprächen sind, können wir hierzu noch keine weiteren Auskünfte geben. Allerdings steht für uns fest, dass die schleichende Ausweitung einer kostenfreien Nutzung von Inhalten über einen Zeitraum der 7-days-catch-up-Regelung hinaus völlig inakzeptabel ist. Auch wenn aktuell das Vorgehen der Sender durch sendereigene Telemedienkonzepte abgesichert wird. Was als Ausnahme gedacht war, kann nicht zur Regel gemacht werden. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Internets kann die alte Regelung hier keinen Bestand mehr haben.
Hat der VDD eine konkrete Position zur anstehenden Reform des FFG?
Der VDD nimmt Einfluss auf den Prozess der laufenden FFG-Novellierung. Der VDD begrüßt ausdrücklich, dass in der bisherigen Branchendiskussion und schließlich auch in der Ausgestaltung des vorliegenden Diskussionsentwurfs der BKM die besondere Bedeutung der Stoffentwicklung anerkannt wurde. Der VDD empfiehlt mit Nachdruck, bei der Neujustierung des Filmfördergesetzes den Entwicklungsgedanken konsequent beizubehalten. Die geplante Neuausrichtung der Drehbuchförderung ist dabei der richtige Schritt: Gute Drehbücher sind der Rohstoff der Filmindustrie und die DNA eines hohen deutschen Marktanteils. Unsere aktuelle Stellungnahme ist nachzulesen unter …
Durch Streaming, VoD etc. ist eine dramatische Ausweitung der Nutzung von Werken festzustellen. Findet das seinen Niederschlag in den Abgaben, welche die Nutzer an Verwertungsgesellschaften zu zahlen haben? Sind uns hier Länder wie Frankreich und Schweiz mit der Höhe der Vergütungen voraus und wenn ja, ist es erstrebenswert, in diese Richtung zu gehen? Wird die VG-Wort ihren prozentualen Anteil an dem Gesamtaufkommen dieser Vergütungen eher steigern oder wird er gar abschmelzen?
Prinzipiell ist natürlich die Erhöhung von Einnahmen immer ein gutes Ziel. Grundsätzlich ist es so, dass über die Kopieabgaben bei Tablets, Smartphones etc. die Nutzung unterschiedlicher Dienste auf den Geräten abgegolten ist. Für direkte Abgaben von den Intermediären wie YouTube, Amazon etc. gibt es bisher keinen gesetzlichen Rahmen. Hier hängt vieles unter anderem ab von diversen Gesetzgebungsverfahren, die aktuell in der EU laufen. Das sind langwierige Prozesse. Ob dabei tatsächlich die rechtlichen Grundlagen für neue Geschäftsmodelle für die Verwertungsgesellschaften geschaffen werden können, ist offen. Es müsste auch geregelt werden, inwieweit die VG Wort im Online-Bereich zukünftig ggf. Erstrechte verwerten kann. Nutzungsrechte im Onlinebereich – wie auch in den öffentlich-rechtlichen Mediatheken – werden bisher von Urhebern an Verwerter lizenziert. Die Verhandlung von Vergütungen fällt somit bisher in den Verantwortungsbereich der Berufsverbände und nicht der Verwertungsgesellschaften. In jedem Fall sind die Online-Nutzungen ein Thema, dass die Verwertungsgesellschaften intensiv beschäftigt – genauso wie den VDD, der unter anderem auch über seine Mitgliedschaft in der Deutschen Content Allianz politisch Einfluss nimmt, dass auch im digitalen Zeitalter geistiges Eigentum geschützt und Vergütungen für die Werknutzung durchsetzbar bleiben bzw. werden.
Was wird den Drehbuchautoren die neue, anstehende Urheberreform im günstigsten/schlechtesten Falle bringen?
Es ist erstaunlich, dass der deutsche Film- und Fernsehmarkt die herausragende Bedeutung der Urheber für ein starkes Programm und eine internationale Konkurrenzfähigkeit selbst angesichts der dramatischen Verschiebungen im globalen Markt (Stichwort neue Serien, Netflix, beinahe unbeschränkte Verfügbarkeit internationaler Programme) bisher wenig anerkennt und damit die eigene Konkurrenzfähigkeit aufs Spiel setzt.
Mit den neuen Vorschlägen zur Reform des Urhebervertragsrechts wird die Stellung der Urheber gegenüber den übermächtigen Verwertern, die bisher den Urhebern weitgehend die Bedingungen diktieren, gestärkt. Nicht im Sinne einer Umkehrung der Verhältnisse, sondern einer dringend notwendigen Ausbalancierung– auch mit Blick auf die Herausforderungen durch den digitalen Markt, die Verwerter und Urheber gemeinsam angehen müssen.
Eine angemessene Vergütung, starke Urheberrechte, die dafür sorgen, dass sich die Arbeit der Urheber lohnt, sind für eine starke Medienbranche unerlässlich. Der vorliegende Entwurf ist hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Die angemessene Vergütung und ihre Durchsetzbarkeit sind die entscheidenden Voraussetzungen für eine möglichst breite, vielgestaltige und zukunftsoffenen Marktteilnahme professioneller Kreativer und damit einer breiten und vielfältigen Kultur- und Medienlandschaft sowie einer entsprechend nachhaltig prosperierenden Kreativwirtschaft. Sie ist dabei nicht nur Absicherung der Existenz und des Lebensunterhalts der Autoren, sondern versetzt Autoren überhaupt nur in die Lage, neue Projekte anzugehen und damit Risiken einzugehen und Innovationskraft freizusetzen.
Wir gehen aktuell von einer positiven Entwicklung des Reformprozesses aus, wobei in den nächsten Monaten mit heftigem Gegenwind von den Verwertern zu rechnen ist. Es gibt eine hohe Dialogbereitschaft auf Seiten der Urheber mit dem Ziel eines funktionierenden Gesetzes. Der schlimmste Fall träte nur ein, wenn die Verwerter diesen Dialog nicht mit uns führen wollen. Dann wird die Reform halt ohne Dialog durchgesetzt. Die Urheber sind in jedem Fall gut gerüstet.
Unsere aktuelle Stellungnahme zur Urhebervertragsrechtsreform finden Sie hier.
Interview: Christina Gattys, VdA-Vorstand